Der hübsche Jurastudent im Lesesaal der StaBi. Grauer gerippter Feinstrickpullover, bestimmt von Gap, Polohemdkragen, der nicht über den Ausschnitt gelegt ist, Seglerschuhe, Jeans. So ein ruhiger Sportlertyp, Hockey oder Schwimmen, der seinen Körper gelassen und fast unbewußt trägt. Den Tisch voller Bücher und Ordner, einen dicken Gesetzesband auf dessen Kartonhülle gestützt, um jederzeit etwas nachschlagen zu können. Gespickt mit neonbunten Indexmarkern in mindestens fünf Farben, eifrig Notizen machend, Neonbuntstifte in den selben Farben zum Markieren bereit. Und manchmal eine Minute in die Sonne blinzeln, Paragraphen schwirren im Hinterkopf und müssen sich erst setzen, ehe neue Fälle und Lösungen aus dem Repetitorium reingehen. Makellose Haut, eine Brille, die er nur in der Bibliothek trägt, er riecht ganz leicht nach Zimt: Big Red. Kindheitserinnerungen, saubergeschrubbt und sexy.

Ich lese gerade Essays von Mario Vargas Llosa.

Zweischneidige Sache, einerseits sind viele sehr gut, vor allem "Die Kunst der Lüge", der ein Verständnis von Literatur in Worte fasst, das ich unformuliert auch im Kopf hatte. Immer schön, Sätze mit diesem "Genau-so-hätte-ich-es-auch-gesagt-wenn-ich-gekonnt-hätte"-Effekt zu lesen. Andererseits komme ich mir enorm dumm vor. Nicht nur, dass ich überhaupt keine Ahnung von Lateinamerika und der dortigen Lage jetzt oder vor 20 oder 30 Jahren habe. Wenn Vargas Llosa dann über Sartre oder Camus schreibt, kann ich noch enigermassen mitdenken, wenn er aber auf Faulkner zu sprechen kommt, der sein grosses Vorbild ist, habe ich noch keine Zeile von dem gelesen.

Wahrscheinlich ist das gar keine zweischneidige Sache. Sondern gut so, manchmal gezeigt zu bekommen, wie dumm man ist. Nur finde ich, dass es Menschen gibt, denen das mal dringender vorgehalten werden müsste als mir.